Am 21. Februar 2024 hörten etwa 100 Interessierte bereits der zweiten Veranstaltung zum Thema Windenergie zu. Dieses Mal fand der Vortrag in der Technischen Hochschule (TH) Rosenheim statt. Drei Experten informierten zu Windkraftausbau in Region.
Prof. Dr. Frank Buttinger, Leiter des Studiengangs Energie- und Gebäudetechnologie an der TH, eröffnete die Veranstaltung mit einem einführenden Überblick. Mithilfe aktueller Diagramme wie den Energy-Charts (www.energy-charts.info) des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) verdeutlichte er die bedeutende Rolle der Windenergie, insbesondere im Winter, für die Stromerzeugung. Bereits jetzt stammen in Deutschland 55 % des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien (EE). Um jedoch das im EE-Gesetz für 2040 angestrebte Windleistungsniveau von 160 GW an Land zu erreichen, ist in den nächsten Jahren ein jährlicher Zubau von ca. 7 GW erforderlich.
Basierend auf den Windkarten im Energieatlas Bayern identifizierte Prof. Buttinger potenzielle Standorte von Windenergieanlagen entlang der Grenzen des Landkreises Rosenheim. Die Finanzierung von Projekten stellt in der Regel kein Problem dar: Kürzlich wurden für ein Projekt im Hofoldinger Forst beeindruckende 6 Millionen Euro innerhalb von nur 2,5 h per Crowdfunding gesammelt!
Über Gesetze, Regionalplanung, Technik und den Weg zum Projekt referierte Maria Burghardt, Leiterin der Beratung Windenergie bei der Energieagentur Ebersberg-München.
Einen wichtigen Rahmen stellt das Wind-an-Land-Gesetz mit verbindlichen Zielen zur Ausweisung von Vorrangflächen dar. Für Bayern und seine Planungsregionen sind bis zum Jahr 2027 1,1 und bis 2032 1,8 % der Fläche als Ziel festgelegt. Dies ist deutlich mehr als die in der Region Südostoberbayern im Jahr 2015 ausgewiesenen 0,6 % an Vorrangflächen, die weiterhin Bestand haben. Der Regionale Planungsverband ist mit der Ausweisung betraut, wobei Kommunen im Rahmen ihrer Planungshoheit zusätzliche Flächen festlegen können. Maria Burghardt sieht neben den bereits genannten Standorten weitere potenzielle Gebiete in den Alpen, sofern Probleme wie Naturwald und Erschließung gelöst werden können.
Aus wirtschaftlicher Perspektive werden möglichst große Windkraftanlagen (WKA) geplant, mit Abmessungen von bis zu 199 Metern Nabenhöhe, einem Rotordurchmesser von 175 m und einer Leistung von 7,2 MW. Trotz ihrer Größe benötigen WKA dauerhaft im Durchschnitt nur 0,35 Hektar, was für die höchste Flächeneffizienz unter allen EE sorgt. Ein wichtiger Aspekt ist das Zusammenspiel von Windkraft und Photovoltaik sowohl im Tages- als auch im Jahresverlauf.
Eine aktive Beteiligung der Kommunen bei Flächensicherung und der Auswahl der Projektierer ist wichtig, um den Frieden im Ort zu bewahren und die lokale Wertschöpfung zu fördern. Ein zentraler Erfolgsfaktor ist zweifellos die Bürgerbeteiligung, sowohl in finanzieller Hinsicht als auch durch begleitende Öffentlichkeitsarbeit. Letztere kann Desinformationen wie Waldzerstörung und Infraschall leicht entkräften.
Stefan Schindler, Projektierer und Planer für WKAs in Deutschland und der Schweiz bei reencon in Stephanskirchen, widmete sich in seinem Beitrag den Vorteilen, Chancen, technischen Aspekten und den Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung.
Er wies auf weitere positive Wirkungen der Windkraft hin: Die dezentrale Stromerzeugung trägt zur Unabhängigkeit von überregionaler EE-Erzeugung und -Transport bei. In Deutschland gibt es bereits 400.000 Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien, was auch den Technologie-Export stärkt. Gleichzeitig sinkt die Rohstoff-Abhängigkeit von anderen Ländern.
Durch Gesetzesänderungen ergeben sich neue Chancen: Das Genehmigungsverfahren wird durch die EU-Notfallverordnung, das vom Bund zugestandene „überragende öffentliche Interesse“ sowie die Änderung weiterer Gesetze beschleunigt. Dadurch kann die Entwicklung eines Windenergieprojekts, die bisher 4 bis 10 Jahre dauert, auf 2 bis 3 Jahre verkürzt werden.
Im Hinblick auf die Bürgerbeteiligung betonte Schindler die Bedeutung transparenter Kommunikation. Mittlerweile ist gesetzlich geregelt, dass 0,2 Cent pro Kilowattstunde erzeugtem Strom an die Standortgemeinde fließen dürfen. Durch eine Flächenpool-Regelung profitieren zudem alle Grundeigentümer im Umfeld der Windkraftanlage.
Die Vorträge wurden aufgezeichnet und sollen ab Mitte März zur Verfügung stehen.
Erfreulicherweise blieb ausreichend Zeit für die Beantwortung von Publikumsfragen, die von lokalen Angelegenheiten wie dem Erler Wind (https://ezro.de/2022/03/08/forschungsprojekt-erler-wind-3/) bis hin zu den globalen Themen wie den seltenen Erden reichten. Zahlreiche Fragen zum Thema Wasserstoff deuteten darauf hin, dass ein eigener Vortragsabend zu diesem Thema sinnvoll wäre.
Die „Rosenheimer Energiedialoge“ sind eine Initiative von TH Rosenheim, Landratsamt Rosenheim, Energiezukunft Rosenheim, Klimaschutzmanagement Kolbermoor, Rosolar und BUND Naturschutz Rosenheim. Nach Möglichkeit wird einmal im Monat an wechselnden Orten der Region eine Informationsveranstaltung zu den Themen Energiewende und Nachhaltigkeit angeboten.