Die Initiative „Rosenheimer Energiedialoge“ hatte für den 30.04.2024 zu einer Informationsveranstaltung mit mehreren Experten unter dem Titel „Kleinwasserkraft – Energie und Ökologie?“ ins Schützen- und Trachtenhaus Westerham eingeladen. Über 70 Interessierte bekamen durch kurze Vorträge und einer anschließenden Podiumsdiskussion einen spannenden Einblick in dieses Thema.
Moderiert wurde der Abend von Florian Schrei, Fernsehjournalist und Hörfunksprecher.
Prof. Dr. Markus Aufleger, Leiter des Lehrstuhls Wasserbau der Universität Innsbruck, erläuterte zunächst die Technik von Wasserkraftanlagen und stellte die Unterschiede von Laufwasserkraftwerk, Ausleitungskraftwerk und Speicherkraftwerk dar.
Bei der Energiewende, so Prof. Aufleger, müssen wir aus der fossilen Wärme aussteigen, was den Stromverbrauch in etwa verdopple. Wasserkraftanlagen seien hierfür ein wesentlicher Baustein. Aber verschiedene ökologische Probleme müssten gelöst werden: Sedimentablagerung, zu geringe Restwassermengen bei Ausleitungsstrecken, stark schwankende Wasserstände bei Speicherung (Schwall und Sunk), Durchgängigkeit für auf- und absteigende Fische. Die ökologisch besonders wichtigen freien Fließstrecken sollten bewahrt werden. Uni Innsbruck kümmert sich besonders um den Schutz beim Abstieg. Lösungen hierfür bietet unter anderem der Fish-Protector.
Dr. Christoph Rapp, Leiter des Bereichs Wasserkraft der Stadtwerke München (SWM), hob die Stromerzeugung und die CO2-Einsparung durch die Isarkraftwerke in München sowie der Uppenborn- und Leitzachwerke hervor. Die Wasserkraft-Nutzung sei historisch in der Regel ein Nebenprodukt anderer Ziele gewesen wie Gewässer-Sanierung, Grundwasseranhebung, Gewinn von Siedlungs- oder landwirtschaftlichen Flächen, Bewässerung, Hochwasserschutz und Schifffahrt.
Als weitere Vorteile der (SWM-)Wasserkraft zählte Dr. Rapp u.a. folgende Punkte auf: lokale Wertschöpfung durch Bau und Unterhalt, lange Lebensdauer, Schwarzstartfähigkeit, Netzstabilisierung, Regelenergie, Schaffung von neuen Habitaten und Reinigung der Flüsse von Müll.
Dr. Stefan Ossyssek, Referent für Arten- und Biotopschutz beim BUND Naturschutz (BN), präsentierte aktuelle Daten: Wasserkraftanlagen tragen ca. 15 % zum bayerischen Strommix bei, in Trockenjahren deutlich weniger. 95 % davon sind Kleinwasserkraftanlagen, die insgesamt nur 1,5 % des Stroms erzeugen. Auch in Naturschutz- und FFH-Gebieten würden solche Anlagen geplant. Negative Effekte entstünden durch Rückstau, Turbinen, fehlende ökologische Durchgängigkeit und Restwasserstrecken bei Ausleitung. Die rechtlichen Anforderungen, z. B. zur ökologischen Durchgängigkeit, würden sehr häufig verletzt. Der BN fordert daher deren Umsetzung bei bestehenden Wasserkraftanlagen, einen geförderten Rückbau von nicht mehr rentablen Wasserkraftanlagen und den Verzicht auf neue Wasserkraftanlagen insbesondere in Naturschutz- und FFH-Gebieten.
Prof. Dr. Jürgen Geist, Leiter des Lehrstuhls für Aquatische Systembiologie der TUM, berichtete über die Untersuchungen zu Fischmortalität und Lebensraumveränderungen an nachgerüsteten konventionellen und innovativen Wasserkraftanlagen im Auftrag des Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. Die Ergebnisse zeigen, dass der Fischabstieg über Wasserkraftanlagen teils erhebliche Fischschädigungen verursachen kann. Innovative Anlagen waren nicht generell besser als konventionelle. Trotz Rechen mit geringem Stababstand gelangen Fische in die Turbine, an einzelnen Standorten bis zu 88 %. Die Mortalitätsrate betrug zwischen 2 und 43 %, an einem Standort für eine Art allerdings über 80 %. Fische, die den Wehrüberfall passierten, fielen manchmal auf eine Betonplatte. Ebenso wenig konnten innovative Anlagen Lebensraumveränderungen in den Staubereichen verbessern, strömungsliebende Arten gingen auch hier zurück.
In der folgenden Podiumsdiskussion antworteten die Experten auf konkrete Fragen des Moderators und später aus dem Publikum. Hierbei wurde zum Teil sehr konträr diskutiert, aber es fanden sich auch gemeinsame Lösungswege. Einige ihrer Aussagen blieben unwidersprochen: Der Rückbau großer Wasserkraftanlagen kommt nicht in Frage. Die rechtlichen Anforderungen gelten für alle Anlagen. Für den Fischaufstieg gibt es mittlerweile gute Lösungen, im Gegensatz zum Fischabstieg. Der Bau einer Wasserkraftanlage ist eine Festlegung auf viele Jahrzehnte.
Auch dem Eindruck des Moderators, die Untersuchungen ökologischer Auswirkungen der Wasserkraft steckten noch in den Kinderschuhen, widersprach niemand.
Nach Veranstaltungsende nutzten viele die Möglichkeit für Fragen an die noch anwesenden Experten oder für Diskussionen im kleineren Kreis.
Das Regional Fernsehen Oberbayern berichtet über den Termin, den Beitrag finden Sie unter: Rosenheimer Energiedialoge: Wie kann man die Kleinwasserkraft ins Energienetz integrieren? | rfo
Die „Rosenheimer Energiedialoge“ sind eine Initiative von TH Rosenheim, Landratsamt Rosenheim, Energiezukunft Rosenheim (ezro), Klimaschutzmanagement Stadt Kolbermoor, Rosenheimer Solarförderverein (Rosolar) und BUND Naturschutz Rosenheim. Nach Möglichkeit wird regelmäßig an wechselnden Orten der Region eine Informationsveranstaltung zu den Themen Energiewende und Nachhaltigkeit angeboten.